Angesichts der alarmierenden Entwicklung und der bevorstehenden Parlamentswahlen am 7. Juni 2015 präsentierte Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu Anfang April ein staatliches Ausgabenprogramm von 7,5 Mrd. TL (rund 2,7 Mrd. Euro; 1 Euro = 2,81 TL) zur Konjunkturankurbelung, davon 4,0 Mrd. TL für die Erhöhung der Altersrenten und 3,5 Mrd. TL als zusätzliche Industrie- und Investitionsförderungen. Mit dem Konjunkturprogramm sollen im Bereich öffentliche und soziale Dienste vorübergehend 120.000 Arbeitsplätze bereitgestellt werden.

Zwar erscheint aus europäischer Sicht das reale BIP-Wachstum von 2,9 Prozent als ein gutes Ergebnis (2013: 4,2 Prozent), doch für eine nachhaltige Reduzierung der hohen Arbeitslosigkeit von 10,9 Prozent (Ende 2014) und die Realisierung der ehrgeizigen Entwicklungsziele der türkischen Regierung ist es nicht ausreichend. Dazu müsste die Wirtschaftsleistung im Durchschnitt real um jährlich etwa 7 Prozent wachsen. Angesichts der anhaltenden Strukturschwäche mit hoher Importabhängigkeit bei der Industrie- und Energieproduktion erscheint dies jedoch fraglich.

Zur Behebung der Strukturprobleme und zur Sicherung eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums sind mehr Investitionen in Industrien mit hohem Wertschöpfungsanteil und in lokal verfügbare Energiequellen notwendig. Die einheimischen Zulieferindustrien und die Nutzung alternativer Energiequellen müssen gestärkt werden, um die hohe Importabhängigkeit abzubauen.

In diesem Sinne treibt die türkische Regierung die Elektrizitätsgewinnung aus erneuerbaren Energien (Wind, Solar, Geothermie, Wasserkraft) und aus der lokal reichlich verfügbaren Braunkohle voran. Zahlreiche Windkraftanlagen befinden sich im Bau. Die Vergabe von neuen Solarenergielizenzen steht an. Drei Kernkraftwerke befinden sich in der Planung. Darüber hinaus werden Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in der Industrie und den privaten Haushalten ergriffen.

Im Industriesektor werden im Rahmen des staatlichen Investitionsförderungssystems wertschöpfungsorientierte Projekte und strategisch wichtige Großvorhaben durch finanzielle Vergünstigungen gezielt gefördert. Dazu zählen Projekte in der Petrochemie und Erdölverarbeitung.

Besondere Förderung erfährt auch die Automobilindustrie. Die Subventionen für die Kfz- und -Zulieferindustrien wurden 2013 ausgeweitet, um den lokalen Integrationsanteil zu erhöhen. Die Kfz-Industrie war 2014 mit einem Anteil von 11,5 Prozent an den gesamten türkischen Ausfuhren von 157,7 Mrd. US-Dollar der wichtigste Exportsektor des Landes. Künftig sollen für technologieintensive und innovative Investitionen zusätzliche staatliche Förderungen gewährt werden.

Germany Trade and Invest: Schwerpunkt Türkei

IHK Hannover, 07.05.15
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