Seit 60 Jahren ist die AHK Frankreich vor Ort. Sehen Sie in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit einen Schlüssel für die heutigen guten deutsch-französischen Beziehungen?

Bousselmi: Die Wirtschaft geht häufig voran und bereitet so den Boden für eine intensive, politische Zusammenarbeit. Es gibt wohl keine zwei weiteren Länder, die so eng wirtschaftlich und politisch verbunden sind. Beide Staaten sind gegenseitig ihre bedeutendsten Handelspartner, deutsche Unternehmen sind die wichtigsten europäischen Investoren in Frankreich. Wie eng die Kooperationen und Verbindungen sind, unterstreicht auch der deutsch-französische Wirtschaftspreis, den die AHK in ihrem Jubiläumsjahr im Dezember zum dritten Mal verleiht.

Frankreich leidet unter hoher Arbeitslosigkeit, wirtschaftlichem Stillstand und einem hohen Haushaltsdefizit. Ist auf den Partner Frankreich zukünftig noch Verlass?

Bousselmi: Ja, absolut! Frankreich leidet aktuell unter den gleichen Problemen wie andere europäische Länder auch. Aber es gibt keinen Stillstand. Frankreich befindet sich vielmehr in einer intensiven Phase der Umstrukturierung, in der die Rahmenbedingungen für die künftige Wettbewerbsfähigkeit gesetzt werden. Natürlich sind aus diesen langfristig wirkenden Reformansätzen keine kurzfristig beobachtbaren Ergebnisse zu erwarten. Ich bin aber zuversichtlich, dass Frankreich und seine Partner von diesen Entwicklungen profitieren werden.

In Paris-Saclay soll nach dem Vorbild des Silicon Valleys eine der weltweit größten Forschungs- und Entwicklungslandschaften entstehen. Wie sehen sie die Chancen deutscher Unternehmen daran mitzuwirken?

Bousselmi: Frankreich setzt stark auf Forschung und Entwicklung, auf Innovation im Hightech-, IT-, Kommunikations- und Umweltbereich. Das sind die Grundlagen für Paris-Saclay, wo 19 Forschungs- und Bildungseinrichtungen zusammenarbeiten. Wir als Kammer beobachten den Prozess sehr genau und analysieren, wie die Bedarfe sind und wer bereits vor Ort ist. Deutsches Know-how wird sehr geschätzt, weshalb wir gute Chancen sehen, dass sich deutsche Unternehmen im europäischen und weltweiten Wettbewerb beweisen werden.

Welche weiteren Sektoren haben aus Ihrer Sicht das größte Potential?

Bousselmi: Das größte Potential sehe ich in der Digitalisierung ganzer Industriebereiche. Aber auch die Umwelt- und Medizintechnologien sowie der Wasser- und Abwasserbereich werden weiter an Bedeutung gewinnen. Insbesondere das großangelegte französische Energie- und Energieeffizienzprogramm bietet gute Chancen für deutsche Unternehmen. Daneben gibt es natürlich weiterhin die Sektoren Automobil, Luftfahrttechnik, Chemie und Maschinenbau, in denen Deutschland traditionell stark ist.

Die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich ist mit über 25 Prozent so hoch, dass schon von der "Génération précaire" die Rede ist. Könnte das deutsche duale Berufsausbildungssystem als Vorbild dienen?

Bousselmi: Es dient als Inspiration, gerade jetzt, denn Frankreich reformiert seine gesamte Berufsausbildung. Wir als AHK unterstützen das zum Beispiel mit dem zweiten deutsch-französischen Berufsausbildungstag im April: Wir fragen ab, wie Angebot und Nachfrage sind und was die Unternehmen und die Politik erwarten und beitragen wollen. Außerdem haben wir ein Programm ins Leben gerufen, bei dem Geisteswissenschaftler ein Jahr lang eine Wirtschaftsausbildung erhalten. 90 Prozent werden anschließend direkt übernommen.

Beenden Sie bitte folgenden Satz: „Frankreich ist ein lohnender Investitions- und Exportmarkt, weil…“

Bousselmi: … das Land der größte Absatzmarkt für Deutschland ist, mit positiven Aussichten in der Bevölkerungsentwicklung, gut ausgebildeten Arbeitskräften, hoher Innovationskraft und einer hervorragenden Zuliefer- und Infrastruktur.#

IHK Hannover, 21.05.15
http://www.hannover.ihk.de/ihk-themen/international.html