Internationalisierung von Webangeboten: 6 Fragen an Dr. Deziderio Šonje

Eine starke Exportorientierung erfordert auch eine entsprechende Darstellung des Unternehmens im Web. – Stellen sich die Unternehmen diesen besonderen  Herausforderungen der Webkommunikation? Und wenn ja, wie international sind ihre Webangebote tatsächlich? Dieser Frage ging die Stuttgarter Unternehmensberatung dr. šonje webconsult – in Zusammenarbeit mit der ESB Business School an der Hochschule Reutlingen – im Rahmen einer empirischen Studie nach. Hierzu wurde die Webangebote von 120 kleinen und mittleren Industrieunternehmen aus Baden-Württemberg untersucht. Die Firmen stammen aus folgenden Branchen: Antriebs- und Automatisierungstechnik, Elektronik, Fertigungstechnik, Maschinenbau und Zulieferindustrie, Pumpenbau u. a.

Bei internationalen Firmenaktivitäten im Web denkt man zuerst an eine englischsprachige Website. Ist sie tatsächlich der Standard?
"Ja, eindeutig! Von den untersuchten 120 B2B-Websites verzichten lediglich 8 Prozent auf ein fremdsprachiges Angebot. Von 92 Prozent der Unternehmen, die ein mehrsprachiges Webangebot haben, verzichtet kaum eines auf eine englische Website."

Wie stark werden länderspezifische Websites genutzt?

"Dies ist einer der Bereiche, der uns am meisten überrascht hat. 44 Prozent der untersuchten B2B-Unternehmen haben ihr Webangebot in mindestens 3 und mehr Sprachversionen übersetzen lassen. 29 Prozent aller Unternehmen gehen sogar noch einen Schritt weiter und bieten internationalen Interessenten nicht nur eine übersetzte Version ihres Angebotes an, sondern ein landesspezifisches Webangebot. In diesen Fällen werden Standortinformationen, wie die Adresse, Kontaktdaten oder Serviceinformationen angepasst. Alles in allem spricht dies für einen nicht unerheblichen Aufwand, den die – inzwischen auch kleineren – Unternehmen hier betreiben. Diesen Aufwand würden die Betriebe nicht auf sich nehmen, wenn sie sich nicht einen Vorteil davon versprechen würden."

Es gibt den Spruch "Andere Länder, andere Sitten". Inwieweit setzen Firmen diese speziellen Anforderungen um?

"Aus unserer Sicht stehen die Unternehmen hier erst am Anfang. In den allermeisten Fällen begnügen sich die Unternehmen damit, ein deutsches Informationsangebot mehr oder weniger 1:1 in die jeweilige Landessprache zu übersetzen. Dies ist zwar ein erster und wichtiger Schritt in die richtige Richtung, jedoch nicht ausreichend. Ein wirklich überzeugender portugiesischer, französicher oder koreanischer Webauftritt entsteht nicht automatisch dadurch, dass man ein deutsches Angebot allein in die jeweilige Landessprache übersetzt. Die typisch deutsche Sachorientierung, die starke Fokusierung auf technische Normen, Standards und harte Fakten kommt nicht in allen Ländern gut an. Hier wäre es manchmal besser, auch auf "weiche2 Themen wie Tradition, Flexibilität oder Service- und Kundenorientierung einzugehen."

Ohne Direktverkauf ist bei "klassischen" Websites die Geschäftsanbahnung das Unternehmensziel. Wie gut ist daher die zentrale Herausforderung "problemlose Kontaktaufnahme" gelöst?

"Dies ist einer der Bereiche, in dem wir die größten Probleme sehen. Aus der Befragung der Verwortlichen wissen wir, dass die Internationalisierung der Website vor allem deshalb unternommen wird, weil man es den Kunden vor Ort so leicht wie möglich machen möchte, mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten. Gleichzeitig ist dies einer der Bereiche, in dem es die meisten Unternehmen den ausländischen Interessenten schwer machen. Bei über zwei Drittel der Websites sucht man bspw. als Interessent vergeblich nach namentlich genannten Ansprechpartnern. Allzu oft wird der Interessent auf anonymisierte E-Mail-Adressen, umfangreiche Kontaktformulare mit zahlreichen Pflichtfeldern oder die Nummer der Telefonzentrale verwiesen. Hier werden Barrieren aufgebaut, die es dem potenziellen Kunden erschweren, sich mit dem richtigen Ansprechpartner einfach und unkompliziert in Verbindung zu setzen. Die Verantwortlichen in den Unternehmen muten hier potenziellen Kunden Dinge zu, die sie selbst bei anderen Webangeboten wahrscheinlich bemängeln würden."

Wie beurteilen Sie generell die Qualität der untersuchten Websites im Hinblick auf das Ziel der internationalen Geschäftsanbahnung?

"Alles in allem zwiespältig. Die untersuchten Unternehmen haben mehrheitlich die Notwendigkeit der Internationalisierung klar erkannt und investieren in einem nicht unerheblichen Aufwand in die Erstellung und Pflege der einzelnen Websites. Insofern ist die Qualitat der Umsetzung, soweit es sich auf Aspekte des Informationsdesigns bezieht, eigentlich ganz gut. Gleichzeitig werden aber auch oft Potenziale verschenkt, da die Umsetzung manchmal nur halbherzig erfolgt und die Schwerpunkte teilweise falsch gesetzt werden. Typisch sind hierfür Unternehmen, die einerseits viel Geld in die Hand nehmen, um Produkte mittels aufwendiger Web-Videos oder -Animationen zu bewerben, die dann aber andererseits die Produktinformationen nur in deutscher bzw. englischer Sprache verfügbar machen und zwar auch auf der französischen, der italienischen oder türkischen Website. Hier verpufft ein Teil des positiven Eindrucks, den der Interessent durch die landesspezifische Ansprache zuvor gewonnen hat."

Welche klassischen Schwachstellen bei der Internationalisierung von Webangeboten haben Sie in der Untersuchung identifiziert?

"Neben der bereits erwähnten Schwachstelle bei der Kontaktanbahnung, sind uns vor allem Schwächen beim Thema Cross-Marketing aufgefallen. Nationale und internationale Messen gelten als einer der wichtigsten Marketing- und Vertriebskanäle in den allermeisten B2B-Branchen. Auf den untersuchten KMU-Websites findet man häufig dazu kaum mehr als eine Auflistung, auf welchen Messen das Unternehmen jeweils präsent ist bzw. sein wird. Weder erfährt man, welche Produkte oder Innovationen das Unternehmen dort präsentiert, noch kann man entsprechendes Informationsmaterial (im voraus) bestellen oder einen Termin mit einem Mitarbeiter vor Ort vereinbaren. Auch hier werden die spezifischen Möglichkeiten des Webs, direkt und unkompliziert mit Kunden in Kontakt zu treten nicht oder nur teilweise ausgenutzt. Angesichts des Aufwands, den die Unternehmen bereits heute auf sich nehmen, ist es schade, dass sie die Potenziale nur unzureichend ausnutzen."

IHK Hannover, 30.09.13
http://www.hannover.ihk.de/ihk-themen/international.html