Der Exportmotor wird auch in diesem Jahr weiter brummen – davon sind zumindest die Exporteure überzeugt. "Wir erleben derzeit eine echte Boomphase im deutschen Export", sagt Anton Börner, Präsident des Außenhandelsverbands BGA. Ein Blick auf die Statistiken zeigt auch, woher der Optimismus kommt: Allein in den letzten Monaten des vergangenen Jahres konnten die Exporteure 25 Prozent mehr ins Ausland verkaufen als im gleichen Zeitraum im Krisenjahr 2009.

Die Außenhandelsunternehmen erwarten jetzt, dass die Exporte in diesem Jahr um neun Prozent auf 1046 Mrd. Euro steigen werden – und damit erstmals die Schallgrenze von einer Billion Euro durchbrechen. Das stärkste Wachstum erwarten die Unternehmen im Handel mit Kunden außerhalb Europas: Dort sollen die Umsätze um 13 Prozent zulegen, während die Firmen im Geschäft mit den europäischen Nachbarn nur ein Plus von knapp sieben Prozent erwarten.

Der Welthandel soll in diesem Jahr um bis zu sieben Prozent wachsen. Weil die deutschen Exporte im gleichen Zeitraum sogar um neun Prozent zulegen sollen, könnte Deutschland 2011 seinen Weltmarktanteil von neun Prozent auf dann 9,5 Prozent steigern. Der Außenhandelsverband rechnet damit, dass das Exportwachstum vor allem aus den Golfstaaten kommt, aus rohstoffreichen Ländern wie Russland und einigen Staaten in Lateinamerika sowie afrikanischen Schwellenländern. "Diese Länder haben die Wirtschaftskrise bemerkenswert gut überstanden und verfügen über die notwendigen Mittel, die sie zum Teil wieder für deutsche Exportschlager ausgeben", sagt BGA-Chef Börner.

Nach wie vor ist aber die EU der größte Markt für die deutschen Exportunternehmen – und dorthin wird auch auf absehbare Zeit der Großteil der hierzulande hergestellten Güter verkauft werden. Im vergangenen Jahr gingen knapp sechzig Prozent aller Ausfuhren in EU-Länder, Frankreich und die Niederlande sind weiterhin die wichtigsten Handelspartner der hiesigen Unternehmen. Außerhalb Europas verschieben sich allerdings die Gewichte. Noch sind die USA der größte außereuropäische Kunde von Unternehmen aus der EU, doch in diesem Jahr wird China mit den Vereinigten Staaten gleichauf ziehen – oder sie sogar überholen. Rund sieben Prozent der deutschen Exporte gingen 2010 in die USA und sechs Prozent nach China, in diesem Jahr könnten beide Volkswirtschaften sieben Prozent der deutschen Ausfuhren abnehmen. Nach Japan geht rund ein Prozent der deutschen Exporte. China hatte bereits 2010 Japan als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt überholt und ist mittlerweile der größte Lieferant der deutschen Wirtschaft.

Die Einfuhren nach Deutschland sollen in diesem Jahr sogar um zwölf Prozent steigen und damit stärker als die Ausfuhren. Insgesamt werden im laufenden Jahr voraussichtlich Waren und Dienstleistungen im Wert von 903 Mrd. Euro aus dem Ausland kommen. Der Löwenanteil davon stammt aus anderen EU-Ländern. Sie sind für 62 Prozent der Einfuhren verantwortlich, legen aber nur unterdurchschnittlich zu: Die Importe aus der EU sollen in diesem Jahr um zehn Prozent steigen, die Einfuhren aus Nicht-EU-Ländern dagegen um 15 Prozent. Dahinter stecken aber nicht nur die Stückzahlen, sondern auch die Inflation: Die Importpreise steigen seit November zweistellig und haben allein im Januar um fast zwölf Prozent angezogen. Die Exportpreise haben zu Jahresbeginn um 5,4 Prozent zugelegt.

Deutsche Unternehmen verkauften im vergangenen Jahr vor allem Maschinen, Autos und chemische Produkte ins Ausland. In diesem Jahr sollen die gleichen Produktgruppen erneut die Liste der exportierten Produkte anführen.

Auch der Nahe Osten und Nordafrika galten bisher für die deutschen Exporteure als Wachstumsmarkt: Im vergangenen Jahr verkauften deutsche Unternehmen an Kunden in dieser Region Waren und Dienstleistungen im Wert von 36 Mrd. Euro; das waren 14 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Inzwischen gehen vier Prozent der gesamten Ausfuhren dorthin – oder zwölf Prozent der Exporte außerhalb der EU. Deutschland ist damit der wichtigste Handelspartner der Region, noch vor Frankreich und Italien. Allerdings: In dieser Statistik werden sehr unterschiedliche Handelspartner zusammengefasst, von den reichen Vereinigten Arabischen Emiraten bis zum Jemen. Die Emirate und Saudi-Arabien sind dabei für einen großen Teil des Handels verantwortlich: Kunden in diesen Ländern kauften im vergangenen Jahr Waren und Dienstleistungen für 11,2 Mrd. Euro aus Deutschland. Nach Ägypten und Tunesien gingen hingegen nur Lieferungen im Wert von 4,6 Mrd. Euro. In Staaten wie den Jemen, nach Bahrain oder Syrien liefern deutsche Unternehmen dagegen sehr wenig.

Der Außenhandelsverband erwartet, dass angesichts des politischen Umbruchs in der Region der Handel und der Tourismus zurückgehen werden; das sei allerdings nur eine kurzfristige Entwicklung. Langfristig seien die Perspektiven der Region hervorragend, schließlich verfügten die Länder der Region über mehr als zwei Drittel der weltweiten Ölreserven und die Hälfte der weltweit bekannten Erdgasvorkommen. Zuletzt hatte der Internationale Währungsfonds ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 4,5 Prozent für die Region vorhergesagt – diese Prognose hatten die Ökonomen allerdings vor dem Beginn der andauernden Umbruchphase abgegeben.

Neben dem erneuten Anstieg des Ölpreises seit Beginn der Unruhen in Nordafrika und dem Nahen Osten sehen die Unternehmen zudem weitere große Risiken für ihre Geschäfte: allen voran die wirtschaftliche Verfassung der USA. Der Außenhandelsverband hält eine erneute Rezession in den USA durchaus für möglich. Ginge die US-Konjunktur erneut in die Knie, könnte das erhebliche Auswirkungen auf die Nachfrage nach deutschen Produkten haben. Zudem warnt BGA-Präsident Börner davor, dass die Schuldenkrise im Euro-Raum weiter schwelt: "Dies ist nicht nur ein Problem der Peripherieländer, sondern auch einiger Staaten Kerneuropas", warnt er.

Doch auch um die chinesische Wirtschaft, deren starkes Wachstum vor allem im vergangenen Jahr das deutsche Exportwachstum angetrieben hatte, machen Börner und seine Kollegen sich Sorgen. Die hohe Preissteigerungsrate, das Wohlstandsgefälle im Land und die möglichen Blasen auf den Aktien- und Immobilienmärkten – all das seien Risikofaktoren. "Wenn diese Gemengelage sich zu einer sozialen und gesellschaftlichen Krise entwickeln sollte, würde dies sämtliche bisherige Prognosen zum Wachstum des Welthandels schnell obsolet machen", sagt Börner.

Welt online, 10.03.11