Die Internationalisierung der Wirtschaft rückt zunehmend die Frage in den Vordergrund, das Recht welchen Staates anwendbar ist. Beantwortet wird diese Frage durch die Regeln des internationalen Privatrechts. Sie ordnen internationalen Sachverhalten jeweils die Anwendung eines bestimmten nationalen Rechtes zu.

Vereinfacht wird die Handhabung solcher grenzüberschreitenden Konstellationen dann, wenn nicht erst zu prüfen ist, welches Recht anwendbar ist, sondern wenn bereits rechtliche Regelungen existieren, die unmittelbar auf internationale Sachverhalte anwendbar sind. Eine solche Regelung ist das UN-Kaufrecht. Es handelt sich dabei um ein Übereinkommen der Vereinten Nationen, das mittlerweile in über 70 Staaten ratifiziert wurde.

Gemäß seines Art. 1 ist es anwendbar auf Kaufverträge über Waren zwischen Parteien, die ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben und diese Staaten Vertragsstaaten sind oder die Regeln des internationalen Privatrechts die Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates vorsehen. Ein deutscher Exporteur, der nach Großbritannien verkauft, unterliegt daher dem UN-Kaufrecht, obwohl das Vereinigte Königreich kein Vertragsstaat ist. Denn die innerhalb der EU maßgeblichen Regeln des internationalen Privatrechts (europäische Verordnung "Rom I") stellen auf das Recht des Staates ab, in dem diejenige Vertragspartei ihren Sitz hat, welche die vertragstypische Leistung erbringt. Dies ist der Verkäufer. Da dieser in dem Beispiel aber seinen Sitz in Deutschland hat, kommt deutsches Recht zur Anwendung, mithin das Recht eines Vertragsstaates mit der Folge, dass das UN-Kaufrecht heranzuziehen ist. Das Prinzip des Rechtes des Verkäuferstaates findet sich auch in vielen anderen außereuropäischen Rechtsordnungen. Aus diesem Grunde lässt sich sagen, dass nahezu bei jedem deutschen Export das UN-Kaufrecht anwendbar ist, sofern es nicht wirksam ausgeschlossen wurde.

Doch nicht nur Kaufverträge, sondern auch Werklieferungsverträge unterliegen dem UN-Kaufrecht, sofern nicht der Besteller einen wesentlichen Teil der für die Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe selbst zur Verfügung zu stellen hat. Und auch für Kaufverträge mit Dienstleistungselementen (wie etwa ein Verkauf mit anschließender Montage) wird das UN-Kaufrecht relevant, sofern nicht der überwiegende Teil der Vertragspflichten in der Ausführung bestimmter Arbeiten liegt. Aus diesem Grunde müssen auch Handwerker und sonstige Dienstleister das UN-Kaufrecht in ihren rechtlichen Überlegungen berücksichtigen.

Nicht zwingend erforderlich ist, dass es sich um Verträge zwischen Unternehmern handeln muss. Auch für Privatleute kann das UN-Kaufrecht einschlägig sein. Allerdings gilt dies nicht für Käufe, die zu privaten Zwecken geschlossen worden sind, es sei denn, dem Verkäufer war der private Zweck nicht bekannt. Hintergrund ist, dass durch das UN-Kaufrecht nicht die nationalen Verbraucherschutzgesetze ausgehebelt werden sollen.

Die sich im Rahmen des UN-Kaufrechts auftretenden Rechtsfragen ließen sich umgehen, wenn man es wirksam ausschließt. Dabei sind aber zwei Aspekte zu berücksichtigen. Zum einen wird das UN-Kaufrecht (nach herrschender Auffassung) nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass man den Passus vereinbart: "Anwendbar ist deutsches Recht". Denn damit würde im Wege einer Rechtswahl auf das Recht eines Vertragsstaates gemäß Art.1 Abs.1 lit.b) UN-Kaufrecht (der auf jeden Fall anwendbar ist) verwiesen, was ja gerade die Anwendung des UN-Kaufrechts auslöst. Auf der sicheren Seite ist man bei einem ausdrücklichen Ausschluss, etwa: "Anwendbar ist deutsches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts". Es stellt sich aber die Frage, ob ein Ausschluss des UN-Kaufrechts (z.B. zugunsten des deutschen Rechts) sinnvoll ist. Um dies zu beurteilen, muss man sich inhaltlich mit den Regeln des UN-Kaufrechts auseinandersetzen.

Im Unterschied zum BGB kann ein Angebot bis zur Absendung der Annahmeerklärung widerrufen werden. Eine Verletzung vertraglicher Pflichten gewährt dem Käufer unter bestimmten Voraussetzungen jeweils Ansprüche auf Erfüllung, Nachbesserung, Ersatzlieferung oder Kaufpreisherabsetzung. Auch Schadensersatzansprüche können geltend gemacht werden. Ein in der Praxis relevanter Unterschied zum deutschen Recht besteht jedoch darin, dass der bei Vertragsverletzung vorgesehene Schadensersatzanspruch kein Verschulden voraussetzt.

Eine Vertragswidrigkeit muss der Käufer innerhalb angemessener Zeit, spätestens innerhalb von zwei Jahren ab Übergabe der Ware anzeigen. Ob die Vertragswidrigkeit vor Ablauf dieser Frist erkennbar war oder erkannt wurde, spielt keine Rolle. Bedeutung hat dies insbesondere dann, wenn in einer Lieferkette der Letztkäufer (z.B. ein Verbraucher) seine Rechte zu einem Zeitpunkt geltend macht, in dem die Zweijahresfrist für den Zwischenhändler bereits abgelaufen ist. Der Zwischenhändler kann dann keinen Rückgriff mehr nehmen.

Unterschiedlich zur Rechtslage in der EU ist auch die Zinszahlungspflicht. Während in der EU auf der Grundlage der Zahlungsverzugsrichtlinie die Zahlung von Zinsen Verzug und Verschulden voraussetzt, setzt das UN-Kaufrecht allein die nicht rechtzeitige Erfüllung einer einklagbaren Zahlungsverpflichtung voraus. Die Zinshöhe allerdings bestimmt sich (jedenfalls nach überwiegender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung) nach dem gemäß den Regeln des internationalen Privatrechts zu bestimmenden nationalen Recht.

Bei der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist darauf zu achten, diese von dem Verwender dem Vertragspartner grundsätzlich in vollem Wortlaut bis spätestens zum Vertragsschluss zu übergeben.

Vorsicht ist auch bei der Verwendung kaufmännischer Bestätigungsschreiben geboten. Der Grundsatz, wonach Schweigen auf ein solches Schreiben einen Vertrag begründet, ist nämlich im UN-kaufrecht i.d.R. nicht anwendbar.

Das UN-Kaufrecht regelt internationale Kaufverträge allerdings nicht umfassend. So beantworten sich Fragen der Verjährung oder des Eigentumsvorbehaltes nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht.

Fazit: Das UN-Kaufrecht ist kein "Buch mit sieben Siegeln", sondern ein von internationale Fachleuten erstelltes und durchdachtes Regelwerk, zu dem bereits umfangreiche Rechtsprechung besteht. Im Einzelfall mag die Wahl nationaler Rechte sinnvoll sein, sollte jedoch nicht ohne die Überlegung, wie sich die Rechtslage nach dem UN-Kaufrecht gestalten würde, erfolgen.

GTAI, 11.02.11