Polen ist mit 38 Mio. Einwohnern das größte Land Mittelosteuropas. Dank der dynamischen Wirtschaftsentwicklung bietet es große Geschäftspotenziale sowohl für Exporteure – vorausgesetzt das Wirken der aktuellen nationalkonservativen polnischen Regierung hat keine negativen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

In Handelsstatistiken dominieren deutsche Firmen (die Warenlieferungen mit dem östlichen Nachbarn erreichten im Jahr 2016 einen neuen Rekord mit 54,8 Mrd. Euro., der Zuwachs deutscher Lieferungen in 2014, 2015 und 2016 gegenüber 2013 nach Polen betrug fast 13 Mrd.). Andere ausländische Unternehmen blicken mit wachsendem Interesse nach Polen. Die Zahl der Studenten ist mit zwei Millionen relativ hoch, sodass qualifiziertes Personal für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten gefunden werden kann.

Polnische industrielle Revolution
Inwiefern sind die polnischen Fabriken automatisiert? Industrie 4.0 steckt in Polen noch in den Kinderschuhen. Die Forschungen zum Automatisierungsgrad der polnischen Produktionsbetriebe beweisen, dass ein großer Teil der Unternehmen immer noch vor den Herausforderungen der dritten industriellen Revolution steht (auch mikroelektronische Revolution genannt). Lediglich 15 Prozent der polnischen Fabriken sind vollständig automatisiert, 76 Prozent weisen dagegen eine teilweise Automatisierung vor. Eine kleine Gruppe von Unternehmen bedient sich bereits an IT-Systemen zur Steuerung der Produktion (Manufacturing Execution System).

Verfahren zur Datenerhebung benötigen in den polnischen Betrieben nach wie vor den Eingriff eines Mitarbeiters. Integration der Steuerungssysteme mit der Industriesoftware wurde in 36 Prozent der Betriebe durchgeführt. Die Marketingexperten von Millward Brown fanden heraus, dass vier von fünf Managern in die Optimierung der Produktionsprozesse investieren wollen. Bei der Modernisierung setzen die meisten auf importierte Geräte. Nur jeder zehnte gab an, einen überwiegend polnischen Maschinenpark zu haben.

Die polnische Industrie steht also vor der Aufgabe, einen bestimmten Bereich der technologischen Umwandlung in der Produktionsorganisation in die Praxis umzusetzen, damit polnische Betriebe mit den modernsten Betrieben der Welt Schritt halten können. Die Mehrheit der Betriebe erklärt, dass sie sich noch in der dritten Welle der industriellen Revolution befinden. Die polnische Industrie will ihre Innovationskraft steigern und investiert in Automatisierungstechnik, sowohl in Geräte als auch Systeme. Alljährlich werden etwa 600 Roboter angeschafft, vor allem von der Kfz-Industrie. Im Softwarebereich gewinnen Cloud-Lösungen an Bedeutung, nicht zuletzt wegen des Kostenvorteils.

Polnisches Potenzial – ausländische Erfahrung
Polens ambitionierte Wirtschaftspläne eröffnen der deutschen Industrie ein weites Betätigungsfeld, sofern das Land nicht Einschränkungen für ausländische Investoren einführt. Das Land hat hohe Bedarfe an innovativen Technologien, insbesondere in den Bereichen Automation und Energie. Schon heute ist das deutsche Nachbarland ein wichtiger Markt, der mehr als ein Viertel der deutschen Elektroexporte nach Osteuropa aufnimmt (2016: 8,7 Mrd. Euro). Es gibt ein hohes Potenzial, schließlich soll die polnische Industrie eine noch wichtigere Stütze der Wirtschaft werden. Laut dem Morawiecki-Plan von 2016 soll u. a. die Re-Industrialisierung durch erhöhte Auslandsinvestitionen gestärkt werden. Der Kosten-Leistungsvergleich ist jedoch letzten Endes das größte Hemmnis für die Industrie 4.0 in Polen: Ein Roboter lohnt sich viermal weniger als in Deutschland.

IHK Hannover, 19.04.17
http://www.hannover.ihk.de/ihk-themen/international.html