Wirtschaftspatriotismus, Heimatbezug und die Achtung, die auf französischer Seite einer lokalen Verwurzelung entgegengebracht wird, kann den Markteintritt für ausländische Anbieter erschweren. Doch deutsche Mittelständler haben einen Symphatiebonus. Und nicht alle Branchen sind gleichermaßen betroffen.

Einkäufer in französischen Unternehmen schauen immer stärker darauf, ob die Ware aus Frankreich stammt. Neben dem Patriotismus spielt die Liefersicherheit eine wachsende Rolle.

In einer jährlichen Umfrage des Beratungsunternehmens AgileBuyer und der französischen Einkäufervereinigung Conseil national des achats gaben im November 2018 erstmalig mehr als 50 Prozent der Einkäufer an, bei ihren Beschaffungen auf die französische Herkunft von Waren und Dienstleistungen zu achten. Befragt wurden 692 Einkaufsleiter und Einkäufer vor allem aus größeren Unternehmen im privaten und öffentlichen Sektor und über alle Branchen verteilt.

Im Privatsektor ist der Anteil der Einkäufer, die auf eine französische Herkunft achten, mit 54 Prozent höher als bei der öffentlichen Hand mit 41 Prozent. Die öffentlichen Stellen sind hier zurückhaltender, weil Beschaffungen vielfach auch Firmen aus der Europäischen Union offenstehen müssen.

Befragt wurden 692 Einkaufsleiter und Einkäufer vor allem aus größeren Unternehmen im privaten und öffentlichen Sektor und über alle Branchen verteilt. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor hatten nur 46 Prozent der Teilnehmer auf die Frage „Berücksichtigen Sie Made in France oder eine lokale Herkunft bei Ihren Einkaufsentscheidungen?“ mit „ja“ geantwortet.

Nahrungsmittelindustrie setzt auf lokale Produkte

Wenig überraschend ist die Tatsache, dass es von Branche zu Branche sehr unterschiedlich ist, inwieweit die lokale Herkunft eine Rolle spielt. Sehr wichtig ist diese für Einkäufer, die in der Nahrungsmittelindustrie und in Luxusbranchen arbeiten. In beiden Bereichen achten auch die Endkunden stark auf eine französische Provenienz. Auch in der Baubranche sind ortsnahe Zulieferungen wichtig, weil sie vielfach auch in Ausschreibungen gefordert sind.

Am anderen Ende der Skala liegen stark internationalisierte Sektoren wie Kfz, Pharma, Telekommunikation/Informationstechnologie und Konsumgüter. Im Mittelfeld rangieren Branchen wie Maschinenbau, Metallbearbeitung, Möbel, Textilien. Hier ist aufgrund eines fehlenden Angebots nicht immer eine lokale Beschaffung möglich.

Der Großteil der Einkäufer (68 Prozent) in Frankreich sieht bei der Beschaffung inländischer Produkte keine Hindernisse. Für 10 Prozent sind französische Waren und Dienstleistungen schlicht zu teuer. Nur 15 Prozent gaben an, sie würden in Frankreich einfach nicht fündig, weil es die Produkte dort nicht gebe. Weitere 4 Prozent finden eine lokale Beschaffung zu kompliziert, bei 3 Prozent bestimmen ausländische Kunden, dass im Ausland gekauft werden muss.

Auch hier gibt es große Unterschiede. Dienstleister (Banken, Tourismus, Transport) und das lokal stark verwurzelte Luxussegment können leichter auf lokale Zulieferungen zugreifen. Industriezweige wie die Luftfahrt- und die Automobilindustrie haben es schwerer im Inland ihren Bedarf zu decken. Aber auch hier sagen 60 Prozent der Einkäufer, dass sie sich ohne Probleme lokal eindecken können.

Französische Produkte dürfen etwas teurer sein

Wirtschaftspatriotismus gehört schon seit langem zum Korpsgeist der Wirtschaftselite in Frankreich und gilt als stärker ausgeprägt als in der deutschen Unternehmerschaft. Auffallend ist die starke Zunahme in den vergangenen Jahren. Die öffentliche Diskussion um den Niedergang der Industrie in Frankreich sowie öffentliche Appelle, lokale Produkte vorzuziehen, dürften hier eine Rolle gespielt haben.

Nach einer Studie des Marktforschungsunternehmen Ifop vom September 2017 sind 74 Prozent der Verbraucher in Frankreich sogar bereit, mehr zu zahlen, wenn ein Produkt aus Frankreich stammt, Tendenz – leicht – steigend. In der Studie nannten 20 Prozent der Befragten das Herkunftsland des Produkts als Kriterium bei der Auswahl und 11 Prozent das Herkunftsland des Herstellers.

Vielen Einkäufern reicht „Made in“ nicht aus, sie setzten auf das Label „Origine France Garantie“. Dies hat der Verein ProFrance im Jahr 2011 auf staatliche Initiative zur besseren Sichtbarkeit französischer Erzeugnisse geschaffen. Anders als die Ursprungsbezeichnung „Made in“, die allenfalls auf die Endstufe der Fertigung in einem bestimmten Land verweist, verlangt das Label Origine France einen Wertschöpfungsanteil von mindestens 50 Prozent in Frankreich. Bisher haben sich rund 600 Unternehmen mit 2.000 Produkten für das Label zertifizieren lassen, jährlich kommen etwa 200 Produkte hinzu.

Sympathiebonus für den deutschen Mittelstand

Für die Einkäufer spielt nicht nur die Herkunft, sondern auch der Preis ihrer Beschaffungen eine entscheidende Rolle. Bei der Umfrage von AgileBuyer gaben zuletzt 19 Prozent der Einkäufer an, ihre Beschaffungen aus Niedriglohnländern steigern zu wollen. Im Jahr 2015 waren es noch 29 Prozent. Hier bestehen große Unterschiede zwischen den verschiedenen Branchen. Im Automobilsektor (34 Prozent), der Luftfahrt (43 Prozent), dem Maschinenbau, der Metallverarbeitung und bei Möbeln und Textilien (alle letztgenannten 36 Prozent) versuchen viele Beschaffungsabteilungen weiterhin, in günstigen Herkunftsländern einzukaufen.

Steigende Kosten in China und anderen ostasiatischen Standorten, globale Handelskonflikte und der Brexit spielen aber französischen Firmen in die Hände. Letzteres gilt auch für deutsche und andere europäische Lieferanten.

Wirtschaftspatriotismus, Heimatbezug und die Achtung, die auf französischer Seite einer lokalen Verwurzelung entgegengebracht wird, kann den Markteintritt für ausländische Anbieter erschweren. Doch deutsche Mittelständler, die vielfach familiengeführt und regional stark verankert sind und dies entsprechend kommunizieren können, haben einen Sympathiebonus.

Einkäufer klagen über Marktmacht von Lieferanten

Sorgen bereitet den französischen Einkäufern die Marktmacht der Lieferanten, die besonders bei Rohstoffen und Software stark ist: 54 Prozent der befragten Einkäufer gaben der Studie zufolge an, mit bestimmten Lieferanten ein Geschäftsverhältnis zu ihren Ungunsten zu haben. Für Annika Gallistl, Key-Account-Managerin für die DACH-Region im französischen Medien- und Beratungsunternehmen Infopro Digital birgt diese Situation auch Chancen für deutsche Anbieter. In vielen Märkten in Frankreich gebe es nur wenige Lieferanten. Französische Firmen wären daher oft sehr daran interessiert, alternative Zulieferer zu finden. Deutlich weniger Einkäufer wollen die Zahl ihrer Zulieferer reduzieren, in der jüngsten AgileBuyer-Studie waren es 43 Prozent. Zum Vergleich, 2016 verfolgten noch 57 Prozent dieses Ziel.

Newsletter des GTAI, 28.01.19