Nach Monaten der Unsicherheit setzte China wenige Tage vor Inkrafttreten die zum 1. Oktober 2017 angekündigte Einführung eines allgemeinen Lebensmittelzertifikats für den Import auch von Nicht-Risiko-Lebensmitteln für die nächsten zwei Jahre aus. Vom Tisch ist die Sache aber nicht.

Ausländische Lebensmittellieferanten nach China konnten aufatmen. Nach Monaten der Unsicherheit setzte China wenige Tage vor Inkrafttreten die zum 1. Oktober 2017 angekündigte Einführung eines allgemeinen Lebensmittelzertifikats für den Import auch von Nicht-Risiko-Lebensmitteln für die nächsten zwei Jahre aus. Vom Tisch ist die Sache aber nicht. Bis zum Stichtag 30. September 2019 besteht viel Verhandlungsbedarf zur inhaltlichen Ausgestaltung und zur Palette der betroffenen Produkte.

Chinesische Verbraucher schätzen Nahrungsmittel von sicheren Herkunftsländern. Für viele ausländische Lebensmittelexporteure drohte jedoch der Traum vom weiter wachsenden Absatz zu Ende zu sein, bevor er Realität werden konnte. Denn China plante im Zuge der Umsetzung seines neuen Lebensmittelsicherheitsgesetzes von 2015 die Einführung eines kaum zu erfüllenden Lebensmittelzertifikats auf importierte und heimisch erzeugte Lebensmittel. Doch nun wurde der Einführungstermin auf das Jahr 2019 verschoben.

Zum 1. Oktober 2017 wollte die chinesische Lebensmittelüberwachungsbehörde AQSIQ eigentlich ein Zertifikat als Voraussetzung für die Einfuhr jeglicher Art von Lebensmitteln – einschließlich Getränken – vorschreiben. Mit anderen Worten: Der Import jedes Kekses, jeder Flasche Bier oder jeder Nudel hätte von einem amtlichen Zertifikat begleitet sein müssen.

Diese Praxis gilt bereits für sogenannte Hochrisikoprodukte (insbesondere Milch- und Milchprodukte sowie Fleisch- und Fleischprodukte). Für diese existieren bilateral ausgehandelte Protokolle und darauf aufbauend Zertifikate. Die Zertifikate werden von den amtlichen Veterinären des Herkunftslandes ausgestellt. Für alle anderen Produkte ist dies international nicht üblich. Es genügen in der Regel wirtschaftseigene Zertifikate, die die gesundheitliche Unbedenklichkeit garantieren.

Alle Lebensmitteleinfuhren wären von Zertifikatspflicht betroffen

Dies war in der VR China bislang nicht anders. Doch die AQSIQ will dieses Prozedere grundlegend ändern. Hierzu beruft sie sich auf den Codex Alimentarius (CA). Innerhalb des CA hatte eine Arbeitsgruppe ein Zertifikat für Hochrisikolebensmittel als Muster für Länder entwickelt, die nicht in der Lage sind, bilaterale Protokolle abzuschließen. Nach chinesischer Lesart sollte dieses jedoch auf alle Arten von Lebensmitteln anzuwenden sein.

De facto hätte die Forderung eines solchen Zertifikates alle Lebensmitteleinfuhren, außer der oben genannten Produktgruppen, für die bereits Zertifikat existieren, nach China unterbunden. Denn für alle diese Produkte gibt es in den exportierenden Ländern – Deutschland eingeschlossen – bisher weder ein Zertifikat noch eine amtliche Einrichtung, die flächendeckend beispielsweise Keksen oder Nudeln gemäß den chinesischen Anforderungen die gesundheitliche Unbedenklichkeit bescheinigen würde. Alle Exportländer hätten neue behördliche Strukturen aufbauen müssen, um den chinesischen Zertifizierungsanforderungen zu genügen.

Der internationale Druck auf die VR China von der Einführung abzusehen, speziell von Seiten der EU – darunter besonders Deutschland -, aber auch den USA, Kanada und Neuseeland war daher groß. Doch während im Hintergrund um eine praktikable Lösung gerungen wurde, blieb bei den betroffenen Unternehmen über Monate hinweg die Unsicherheit groß, wie es nach dem 1. Oktober 2017 weitergehen würde.

Aufgeschoben ist noch nicht gleich aufgehoben

Erst zum 25. September 2017 gab China bekannt, eine zweijährige Übergangsperiode zu gewähren. Mit anderen Worten: Die Einführung eines Lebensmittelzertifikats wird nur um zwei Jahre auf den 1. Oktober 2019 verschoben, aber nicht aufgehoben. Denn China besteht nach wie vor auf der Einführung eines Lebensmittelzertifikats für alle Produkte, gleich welcher Risikoklasse. Dabei haben die Verantwortlichen außerdem deutlich gemacht, dass der Import auch über ein E-Zertifikat – also elektronisch – abgewickelt werden soll. Dies zu implementieren könnte langfristig eine Erleichterung sein, kurzfristig stellt es jedoch – nach bisherigen Erfahrungen – eine Herkulesaufgabe dar.

Weiterhin offen bleibt, wie das neue Zertifikat letztlich aussehen soll. Klärungsbedarf besteht bei der Produktliste sowie in der praktischen Ausgestaltung. Die von der chinesischen Seite vorgelegte Warenliste hatte sich an Zollnummern – HS-Codes – orientiert, wobei auch Nicht-Lebensmittel mit „hineingerutscht“ sind. Allerdings ist das Zugeständnis der chinesischen Seite zu begrüßen, dass zur Zertifizierung die Formulierung „zum menschlichen Verzehr geeignet“ ( „fit for human consumption“) genügen soll.
Zertifikate werden Kosten für deutsche Lebensmittellieferanten erhöhen

Ein wichtiger Streitpunkt bleibt, dass China einen international üblichen risikobasierten Ansatz ablehnt, der nur für fragliche Produkte ein Zertifikat fordert. Das von chinesischer Seite präferierte flächendeckende Modell wird von den internationalen Partnern als unrealistisch abgelehnt. „Da müsste man ja hinter jedem Bäcker einen Veterinär abstellen“, so ein Brancheninsider. Die EU vertritt entsprechend die Position, es dürfe keine Zertifizierungspflicht für alle Produkte geben. Sie fordert, dass bestimmte „low-risk“-Produkte von der Zertifizierungspflicht ausgenommen werden und für andere Produkte ein abgestuftes System kreiert wird.

Großer Klärungsbedarf besteht außerdem darüber, wer dieses Zertifikat ausstellen darf. Die USA vertreten die Position, dass dies durch die Unternehmen selbst geschehen soll, im Vertrauen darauf, dass die staatlichen Kontrollen ausreichend sind. Andere sehen hier eine dritte unabhängige Partei gefragt – doch wie sollte diese aussehen?

Trotz der Erleichterung, vorerst weiterhin Lebensmittel nach China liefern zu können, ist daher vor allem eines offensichtlich: Um eine – wie auch immer geartete – Bescheinigung kommen die Unternehmen nicht herum. Dies bedeutet im Vergleich zur bisherigen Situation für die Produzenten und Lieferanten eine Verschlechterung, die mit höheren Kosten und wahrscheinlich auch steigenden Preisen für chinesische Konsumenten einhergehen wird.

Ein kleiner Ausgleich könnte da zumindest die zum 1. Dezember 2017 in Kraft getretenen Zollsenkungen auf ausgewählte Konsumgüter darstellen. Unter diesen befindet sich auch eine Reihe an Nahrungsmittelerzeugnissen. So wurden beispielsweise die Einfuhrzölle auf Babymilchpulver von 15 auf 2 Prozent und auf Käse von 12 auf 8 Prozent gesenkt.

Newsletter der GTAI, 15.01.18