Das Emirat Abu Dhabi diversifiziert seine Wirtschaft, jedoch ist das Ende der Dominanz des Ölsektors nicht absehbar. Das zeitweise schwer angeschlagene Emirat Dubai zeigt seine traditionelle Stärke als Handelsdrehscheibe und baut erfolgreich die Tourismusbranche aus. Sorgen bereiten die möglichen Auswirkungen der europäischen Wirtschaftskrise sowie der sanktionsbedingte Rückgang des für Dubai wichtigen Iran-Handels.

Trotz einer durchaus erfolgreichen Diversifizierung ist die Öl- und Gasförderung weiterhin die wichtigste Determinante der VAE-Ökonomie. Sie leistet den größten Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), finanziert wesentlich das Staatsbudget und alimentiert direkt und indirekt das gesamte Staatswesen. Um auch langfristig das Einkommen aus dem Öl-und Gassektor zu sichern, werden viele Milliarden investiert. Das Emirat Abu Dhabi, auf das 2011 etwa 97% der VAE-Ölproduktion entfielen, will seine Förderkapazitäten von 2,7 Mio. (2011) auf 3,5 Mio. bpd (barrels per day) ausweiten, auch die Gasförderung soll stark expandieren. Die Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc) plant im Zeitraum 2010 bis 2014 Investitionen in Höhe von 40 Mrd. US$, davon 25 Mrd. US$ zur Steigerung der Gasförderung.

Die BIP-Entwicklung wurde 2011 durch die Ölpreisentwicklung und die Ausweitung der Förderung stark beeinflusst. Der OPEC-Referenzpreis lag 2011 mit durchschnittlich 107 US$/Barrel um 39% über dem Vorjahresniveau. Zudem erhöhten die VAE ihre Fördermenge gegenüber 2010 um über 10% auf 2,6 Mio. bpd. Unter Beibehaltung der aktuellen Fördermenge reichen die nachgewiesenen Reserven der VAE noch etwa 100 Jahre.

Der Anteil der Öl- und Gasproduktion am nominalen BIP hat sich 2011 auf 38% (offizielle Schätzung) erhöht (2010: 30%). Der reale Zuwachs des Sektors wird mit 6,7% angegeben. Dieses Plus war die wesentliche Stütze des mit real 4,2% veranschlagten Anstiegs des gesamten BIP (2010: 1,3%; 2009: -4,8%). Der Nicht-Öl-Sektor legte nur um 3,1% zu. Ein unterdurchschnittliches Wachstum werden unter anderem für die Bereiche Immobilienwirtschaft und Unternehmensdienstleistungen (0,7%), Finanzdienstleistungen (2,8%), Telekommunikation (2,2%) oder die verarbeitende Industrie (3,0%) gemeldet. Der Hotel- und Gaststättensektor konnte hingegen ordentlich zulegen (8,0%).

Mittlerweile sind die BIP-Prognosen für 2012 nicht mehr so positiv wie noch zu Jahresbeginn. Die Euro-Krise und die in vielen Ländern nach unten korrigierten Wachstumserwartungen dämpfen den Anstieg der weltweiten Ölnachfrage und wirken sich negativ auf den Ölpreis aus. Gegenwärtig rechnen die meisten Beobachter für 2012 mit einem BIP-Plus von 2 bis 3%. Die VAE-Regierung und die Experten der Economist Intelligence Unit liegen mit 3,0% am oberen Rand.

Die einzelnen Emirate der VAE unterscheiden sich erheblich hinsichtlich ihrer Wirtschaftsstruktur, -kraft und -dynamik. Das reiche Öl-Emirat Abu Dhabi erzielte 2011 ein reales BIP-Plus von 6,8%, so die Statistikbehörde von Abu Dhabi. Das nominale BIP stieg um 30% (2010: 16%) auf 220 Mrd. US$, dies wären 65% (59%) des gesamten BIP der VAE. Der Ölsektor hatte in Abu Dhabi 2011 einen BIP-Anteil von 59% (50%).

Das Dienstleistungsemirat Dubai legte 2011 real um 3,4% (2010: 2,8%) zu. Der Ölsektor hatte nur einen BIP-Anteil von 1,5% (2010: 1,8%; zu konstanten Preisen von 2006), der Bereich Groß-und Einzelhandel sowie Reparatur-Services kam auf 31% (30%), die verarbeitende Industrie auf 14% (13%). Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der anderen fünf Emirate (Sharjah, Ajman, Umm al Quwain, Ras al Khaimah und Fujairah) bleibt weit hinter Abu Dhabi und Dubai zurück.

Investitionen ziehen an

Die negative Entwicklung der Investitionstätigkeit während des Krisenjahres 2009 erscheint in der offiziellen Statistik als relativ unspektakulär, ab 2010 geht es wieder deutlich bergauf. Zumindest der für 2009 ausgewiesene Rückgang der Bruttoanlageinvestitionen um lediglich 1,3% real und 0,8% nominal scheint dem Augenschein allerdings zu widersprechen. Aufgrund des starken Einbruchs im Projektgeschäft wird allgemein für 2009 von einer kräftigeren Schrumpfung des Investitionsvolumens ausgegangen. Für 2010 und 2011 meldet die Statistik eine Ausweitung der Bruttoanlageinvestitionen um real 13,0 beziehungsweise 11,6%.

Gemäß dem Gulf Projects Index des Middle East Economic Digest (MEED) schrumpfte das Volumen der geplanten und laufenden Projekte von rund 1.300 Mrd. US$ Ende 2008 auf heute etwa 550 Mrd. US$.

Die ausländischen Direktinvestitionen in den VAE haben sich 2011 laut "World Investment Report 2012" der UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development) weiter erholt. Das Krisenjahr 2009 brachte einen Absturz auf nur noch 4,0 Mrd. US$, im Zeitraum 2005 bis 2008 lag der Jahresdurchschnitt bei 12,9 Mrd. US$. Seit 2010 geht es wieder bergauf. Für 2010 werden 5,5 Mrd. US$ gemeldet und 7,7 Mrd. US$ für das letzte Jahr. Der Bestand ausländischer Direktinvestitionen war zwischen 2002 und 2008 sprunghaft von 2,3 Mrd. auf 68,2 Mrd. US$ gewachsen. In den folgenden drei Jahren fielen die Zuwächse erheblich geringer aus, für 2011 werden 85,4 Mrd. US$ ausgewiesen.

Deutschland gehört in den VAE nicht zu den führenden Investoren. Der aktuellen Bestandserhebung der Deutschen Bundesbank zufolge waren 2010 (2007) in den VAE insgesamt 135 (86) deutsche Unternehmen mit 1,56 Mrd. (0,73 Mrd.) Euro vertreten, die 22.000 (8.000) Mitarbeiter beschäftigten und einen Umsatz von 5,8 (3,1) Mrd. Euro erzielten.

Konsumenten wieder in Kauflaune

Der private Konsum zeigt wieder ordentliche Zuwachsraten. In den führenden Malls der VAE, vor allem in Dubai, drängen sich Einheimische, Expatriates und Touristen. Insbesondere der stark anziehende Fremdenverkehr wird das Kaufkraftpotential weiter erhöhen. Für reiche Araber haben die Destinationen Ägypten, Bahrain, Syrien und Libanon an Attraktivität eingebüßt, insbesondere Dubai profitiert davon. Zudem hat der Arabische Frühling auch in den VAE zu einer vorbeugenden Beschwichtigungspolitik geführt; die etwa eine Million Einheimischen können sich über kräftige Einkommenserhöhungen freuen.

Trotz des wieder anziehenden Konsums und des Kundenansturms in den Spitzen-Malls darf allerdings nicht übersehen werden, dass der private Konsum 2009 real um fast 20% eingebrochen ist. Auch 2010 ging es weiter zurück (-5%). Mit dem 2011 verbuchten Zuwachs von mageren 4% bleibt der Abstand zum Vorkrisenniveau gewaltig, der private Verbrauch lag 2011 über 20% unter dem Wert von 2008. Die offiziellen Zahlen sind jedoch ungünstiger als die von vielen Beobachtern "gefühlte" Konsumentwicklung. Ein zweistelliger Zuwachs erscheint 2012 möglich. Gemäß den von VisaVue erhobenen Daten wurde in Dubais Malls während des vierwöchigen Dubai Shopping Festivals 2012 mit 497 Mio. US$ etwa 22% mehr ausgegeben als im Vorjahr.

Außenhandel boomt

Der Außenhandel der VAE erreichte 2011 neue Rekordwerte, so die jetzt vom National Bureau of Statistics (NBS) veröffentlichten Zahlen. Gegenüber 2010 erhöhte sich das gesamte (Nicht-Öl-) Außenhandelsvolumen (Importe, Nicht-Öl-Exporte und Reexporte) um 23% auf 928 Mrd. Dirham (Dh.; 253 Mrd. US$). Daran hatte Dubai einen Anteil von 76%, Abu Dhabi von 15% und Sharjah von 7%: Die restlichen 3% teilten sich die anderen vier Emirate. Der mit Abstand wichtigste Handelspartner war Indien mit umgerechnet 53 Mrd. US$, es folgten mit jeweils rund 16 Mrd. US$ die VR China, die USA und Iran. Die Plätze 5 und 6 belegten die Schweiz und Deutschland (jeweils 9 Mrd. US$).

Die Einfuhren expandierten 2011 um 24% auf 164 Mrd. US$. Rund 30% der Importe (50 Mrd. US$) entfielen auf Gold in Rohformen (HS 71.08), Diamanten (71.02) und Schmuckwaren aus Edelmetallen (71.13). Andere wichtige Importgruppen waren Straßenfahrzeuge (87.03, 04 und 08; 10,8 Mrd. US$), Luftfahrzeuge (88.02 und 03; 7,2 Mrd. US$), Telekommunikationstechnik (85.17; 2,6 Mrd. US$), Kabel und Drähte (85.44; 1,5 Mrd. US$), Medikamente (30.04; 1,3 Mrd. US$), Armaturen (84.81; 1,3 Mrd. US$) sowie Apparate zum Heizen, Destillieren etc. (84.19; 1,3 Mrd. US$).

Als Zielländer für Reexporte dominieren Indien und Iran. Gemäß der offiziellen Statistik haben sich die Reexporte nach Iran zwischen 2009 und 2011 um 83% auf 12,9 Mrd. US$ (2010: 8,6 Mrd. US$) erhöht. Damit liegt Iran zwar hinter Indien (14,4 Mrd. US). Da aber weiterhin im großen Umfang Ausfuhren nicht registriert über den Golf nach Iran gehen dürften, könnte Iran 2011 durchaus der größte Reexport-Markt gewesen sein. Die weitere Verschärfung der Iran-Sanktionen wird jedoch 2012 zu einer erheblichen Schrumpfung des Iran-Geschäfts führen.

Die positive Einfuhrentwicklung hat sich auch 2012 fortgesetzt. Im 1. Halbjahr 2012 erhöhten sich die deutschen Lieferungen um rund 30% (Schätzung). Die EU-27 kamen immerhin auf ein Plus von etwa 10%. Auch die USA melden einen starken Anstieg ihres VAE-Geschäfts. Verursacht durch Flugzeugauslieferungen ergab sich bei den US-Exporten in die VAE ein Zuwachs von über 50%, ohne den Sondereffekt waren es rund 40% mehr. Japan erzielte eine Steigerung von fast 50%, Korea (Rep.) bildete mit stagnierenden Lieferungen eine Ausnahme. Die VR China verzeichnete im 1. Quartal eine Erhöhung um 20%.

GTAI, 23.08.12