Brasilien: Kreditvergabe und Zahlungsmoral
Die Zahlungsfähigkeit der brasilianischen Betriebe hat sich in dem letzten Jahr erheblich verschlechtert. Schuld daran ist die Rezession – und die hohen Zinsen. Sie schmälern die Liquiditätsreserven der Betriebe. Die gestiegenen Steuern, zunehmende Arbeitslosigkeit, geringere Kaufkraft und große Unsicherheit über die wirtschaftliche und politische Entwicklung des Landes machen die Lage nicht besser. Wegen des hohen Risikos von Ausfällen stufte Coface Brasilien im September 2015 in die Länderbewertung B zurück; Moody’s hat im Laufe desselben Jahres insgesamt 289 brasilianische Unternehmen herabgestuft. Und ein Ende dieser Entwicklung ist noch nicht in Sicht. Der weltweit führende Kreditversicherer Euler Hermes erwartet für dieses Jahr 22 Prozent mehr Pleiten als im Vorjahr. Und wenngleich die Auskunftei Serasa Experian brasilianischen klein- und mittelständischen Unternehmen eine ungebrochen gute Zahlungsmoral bestätigt, werden nach Umfrage des Kreditversicherers Atradius 44 Prozent der Forderungen zu spät bezahlt. Die Hauptgründe: Liquiditätsschwierigkeiten der B-2-2 Kunden sowie Ineffizienzen im Bankwesen.

Risiko der Zahlungsunfähigkeit einkalkulieren
In Brasilien aktive Unternehmen sollten daher das erhöhte Risiko der Zahlungsunfähigkeit brasilianischer Geschäftspartner einkalkulieren und dementsprechend handeln.  
Dabei steht eine umfassende Prüfung der Kreditwürdigkeit brasilianischer Geschäftspartner, wie sie durch Coface, Euler Hermes oder Dun and Bradstreet oder den brasilianischen Auskunfteien SPC, SCPC/Boa Vista Serviços und Serasa Experian angeboten wird an erster Stelle. Lokale Finanzierungsinstitute haben eine noch breitere Informationsgrundlage für Kreditentscheidungen, da sie Zugang zu den öffentlich verwalteten Datenbanken SCR, Cadin und CSS-Bacen haben.
Sicherlich – Zahlungsbereitschaft und Bonität ausländischer Geschäftspartner lassen sich nicht immer zuverlässig beurteilen. Empfehlenswert ist daher die Zahlung per Akkreditiv; bei neuen Kundenbeziehungen kann eine Akkreditivbestätigung oder eine Ankaufzusage eine zusätzliche Absicherung bieten. Schutz gegen Zahlungsausfälle bieten auch Kreditversicherungen, wie sie von Coface oder Euler Hermes, angeboten werden. Bekannte Versicherer am brasilianischen Markt sind CyC/Atradius Group, Chartis/AIG, Cesce, AON, Marsh, Swiss Re oder die ACE Group.
Zusätzlich können Beratung und Angebot deutscher Banken vor Ort deutschen Unternehmen eine wertvolle Unterstützung sein. Die Commerzbank erhielt im September 2015 als erste deutsche Bank eine Banklizenz der Banco Central. Auch die Deutsche Bank und die DZ Bank sind mit Repräsentanzen in Brasilien vertreten.

Möglichkeiten bei Zahlungsverzug
Und wenn die Zahlung des brasilianischen Geschäftspartners trotz aller Vorausschau dann doch aussteht? Dann empfiehlt es sich erst einmal zu verhandeln. Gegebenfalls mit Verzicht auf Mahngebühren und Verzugszinsen bei umgehender Begleichung. In Brasilien sind die durchschnittlichen Zahlungsfristen mit 32 Tagen im Binnenhandel und 35 Tagen im Außenhandel sowie auch das durchschnittliche Zahlungsziel mit 60 beziehungsweise 67 Tagen grundsätzlich erst einmal deutlich länger als in Deutschland. Die Beauftragung eines Inkassobüros? Lohnt sicher ab einer gewissen Anzahl zahlungsunfähiger Kunden. Dann kann aber eine Begleitung der Verhandlung durch die europäische Industrie- und Handelskammer für Mediation und Schlichtung CAE in Frage kommen. Diese kann übrigens bisher kein verstärktes Aufkommen von Verfahren infolge der Krise feststellen.

IHK Hannover, 06.06.16
http://www.hannover.ihk.de/ihk-themen/international.html