Die Staaten des Golfkooperationsrates (GCC), zu denen Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) gehören, werden 2012 vermutlich weniger Großaufträge vergeben als noch 2011. Für die westlichen Industrieländer dürfte dabei immer weniger abfallen. Lokale arabische Firmen können sich mittlerweile über die Hälfte aller Aufträge sichern. Mit Erfolg agieren vor allem Wettbewerber aus der Republik Korea, der Volksrepublik China und Indien. Deutschland muss sich immer häufiger mit der Rolle eines Spezialzulieferers begnügen.

Die Chancen für westliche Unternehmen, sich an den Großprojekten auf der Arabischen Halbinsel zu beteiligen, werden zusehends geringer. Lokale Firmen haben in der Zeit des Baubooms kräftig dazu gelernt und können mittlerweile vieles selbst. Gleichzeitig schwindet das Volumen der großen städtebaulichen Entwicklungen, mit welchen die GCC-Staaten jahrelang für Schlagzeilen gesorgt haben. Wenn dennoch Firmen aus Übersee zum Zuge kommen, dann sind es vornehmlich solche aus der Republik Korea. Das Unternehmen MeedProjects, das regelmäßig größere Vorhaben in der Arabischen Welt auflistet, hat für jedes GCC-Land analysiert, welche vier Länder mit ihren Firmen 2011 in erster Linie an Großaufträge kamen. Die Republik Korea war in jedem GCC-Land unter den ersten vier, Deutschland – kaum eine Überraschung – nicht einmal dabei.

Viele große Mega-Projekte der GCC-Länder liegen aktuell auf Eis oder werden nur langsam und in abgespeckter Form weiter verfolgt. Vor allem Dubai hat sich bereits 2009 von vielen großartigen Visionen verabschieden müssen. Abu Dhabi hat dann im Frühjahr 2012 auf die Bremse getreten. Saudi-Arabien ist aktuell der noch attraktivste Projekt-Markt auf der Arabischen Halbinsel, hat aber auch viele Pläne erst einmal neuen Realitäten und einer Haushaltskonsolidierung untergeordnet. Katar hält die Vergabe von neuen Aufträgen zurück und will viele seiner städtebaulichen Träume erst noch einmal überdenken und die Planung koordinieren. In Kuwait blockieren sich Parlament und Regierung seit Jahren gegenseitig. Bahrain ist durch die Unruhen politisch ins Abseits geraten und hat Investoren vorerst verschreckt. Und in Oman mit seinen zur Neige gehenden Ölreserven wachsen die Träume auch nicht mehr so schnell in den Himmel wie noch vor Jahren.

Wenn es noch große Aufträge zu gewinnen gibt, dann stehen die gut vernetzten lokalen Firmen in der ersten Reihe. Nur wenn es um technisch aufwendige Öl- und Gasprojekte sowie petrochemische Anlagen oder Kraftwerke geht, kann auf die Expertise von Ausländern nicht verzichtet werden. Nach den Erhebungen von Meed Projects wurden 2011 in den GCC-Staaten Großprojekte im Wert von 106,6 Mrd. US$ vergeben. Davon gingen dem Wert nach 53% an regionale Unternehmen. Bei reinen Bau- und Infrastrukturvorhaben ist der Anteil weit höher, während von den Energie- und petrochemischen Projekte nahezu ausschließlich ausländische Firmen profitierten.

Nach Ansicht von Beobachtern werden lokale Unternehmen in den nächsten Jahren einen immer größeren Anteil vom Kuchen bekommen. Mehr als anderswo auf der Welt zählen in den Golfstaaten Verbindungen und Beziehungen. Und mit dem arabischen Frühling konfrontiert, müssen die Verantwortlichen der Halbinsel ihre Landsleute bei Laune halten, insbesondere die einflussreiche Geschäftswelt.

Auch wenn lokale Firmen 2011 mehr als die Hälfte am Auftragskuchen bekommen konnten, blieben für ausländische Unternehmen dennoch stattliche 50 Mrd. US$ übrig, von denen sich Firmen aus Korea (Rep.) mit 17,9 Mrd. US$ den Löwenanteil sichern konnten. Ob das asiatische Land 2012 genauso erfolgreich sein kann, muss sich allerdings erst noch zeigen. Indische Firmen konnten in den VAE 2011 Korea schon fast das Wasser reichen und in Katar waren ihnen die Chinesen knapp auf den Fersen. Firmen aus beiden Ländern haben inzwischen von Korea gelernt, wie man es richtig macht, sagen Marktkenner.

Für die westlichen Industrieländer, die in der Vergangenheit zum Teil gut zum Zuge gekommen waren, wird es künftig immer schwieriger, an Aufträge zu kommen. Selbst bei anspruchsvollen Energieprojekten wie zum Beispiel Kernkraftwerken können die Anbieter aus Korea (Rep.) inzwischen punkten und die alten Industrienationen abhängen. Sehr viel besser als ihre Konkurrenten haben diese es verstanden, ihren Vormarsch auf die Arabische Halbinsel langfristig und kontinuierlich zu planen und umzusetzen. Sie haben sich in der Vergangenheit nicht gescheut, für jeden Auftrag zu bieten, auch für kleine und technologisch völlig unbedeutende wie zum Beispiel den Bau eines Arbeitercamps. Dank dieser Aufträge verfügen sie heute über ein Know-how, Kontakte und ein Netzwerk vor Ort, wie wohl kein anderes Land außerhalb der Arabischen Welt.

Nach Einschätzung von Kennern der Region kann man das beste Produkt und den günstigsten Preis vorweisen. Ohne ein entsprechendes Netzwerk und eine persönliche Vertrauensbasis haben Unternehmen kaum Chancen, zum Zuge zu kommen. Die Koreaner haben sich dieses Vertrauen über ein Jahrzehnt hinweg hart erarbeitet und können nun die Früchte ernten. Für viele deutsche Firmen bleibt längerfristig wohl häufig nur die Kooperation mit den Gewinnern. Aber auch das setzt voraus, dass deutsche Firmen und Wirtschaftsdelegationen bereit sind, ihre Hausaufgaben besser zu machen und sich intensiver mit dem Markt und seinen Besonderheiten auseinander zu setzen.

IHK Hannover, 06.02.12
http://www.hannover.ihk.de/ihk-themen/international.html