Meinungsumfragen zeichnen ein immer besser werdendes Bild, das Polen von Deutschen haben, gleiches gilt umgekehrt. Auch wenn Klischeevorstellungen in beide Richtungen nach wie vor bestehen. Ressentiments sind selten und betreffen gegebenenfalls vor allem die ältere Generation.

Statt mit Deutschen über die Geschichte zu debattieren, sehen Polen die Zukunft der bilateralen Beziehungen vielmehr in der gemeinsamen Bewältigung wirtschaftlicher Krisen, Sicherung der Energieversorgung und Stärkung der Position der EU auf internationalem Parkett. In Zeiten der Euro-Krise fürchten Polen deutsche Passivität stärker als die Übernahme von Verantwortung, wohingegen die Sparpolitik der Regierung in Berlin in anderen europäischen Ländern heftig kritisiert wurde.

Für die Geschäftswelt dagegen bergen unterschiedliche, historisch gewachsene Verhaltens- und Denkmuster von Deutschen und Polen ein erhebliches interkulturelles Konfliktpotenzial. Klagen polnische Mitarbeiter häufig über die "Arroganz" westlicher Manager, werfen Letztere in umgekehrter Richtung Polen zuweilen Sturheit und Arglist vor. Meistens sind diese Vorwürfe nicht berechtigt, sie basieren auf unterschiedlichen Wahrnehmungen und Wertvorstellungen.

Fühlen Polen sich nicht richtig respektiert, reagieren sie auf – vermeintliche oder tatsächliche – Arroganz westlicher Führungskräfte mit verdeckter Obstruktion. Sie sagen vordergründig "ja" zu allem, wichtige Entscheidungen werden im Hintergrund aber wieder torpediert. Die hier angesprochene Problematik ist komplex und erfordert Einfühlungsvermögen sowie Fingerspitzengefühl.

Missverständnisse auf deutscher Seite ruft häufig das polychrone Verhalten von Polen hervor. Denn das zeitgleiche Erledigen verschiedener Aufgaben passt nicht in die gewohnte, geordnete deutsche Arbeitswelt und mutet zuweilen chaotisch an. Dahinter steckt das Bestreben, mehr Spielraum für unvorhergesehene Dinge zu schaffen.

Neben Simultanität zeichnen sich Polen auch durch Improvisationstalent aus. Bei gemeinsamen Projekten sollten daher die Ziele zwar klar definiert, der Weg dorthin den polnischen Partnern aber weitgehend überlassen werden.

Verträge können bis zum Abschluss immer wieder neu diskutiert werden

Typisch bei Vertragsverhandlungen ist, dass die polnische Seite in der Regel einen zunächst kurz und knapp gehaltenen Text vorschlägt, der über ein bis zwei Seiten nicht hinaus geht und sich lediglich streng an zivilrechtliche Vorschriften hält. Auch ist es kein Tabu, dass einzelne Vertragspunkte bis zum endgültigen Abschluss immer wieder neu diskutiert werden, selbst wenn sie bereits als fest vereinbart schienen.

Weil ein Vertrag für polnische Geschäftsleute "nur" den Beginn einer Zusammenarbeit darstellt, kann er nach deren Meinung im Zeitablauf auch geändert oder ergänzt werden. Für Deutsche dagegen ist ein Vertrag eine feste Basis der Zusammenarbeit. Änderungswünsche werden deshalb oft dahingehend fehlinterpretiert, als wolle der polnische Partner an diesem Fundament rütteln.

Hier sollte sich die deutsche Seite in beiderseitigem Interesse flexibler zeigen. Änderungswünsche der Polen von vornherein als Vertrauensbruch auszulegen, wäre fatal, denn zur Vertrauensbildung ist in Polen der persönliche Respekt unerlässlich. Zum Beispiel durch Anerkennung: Polen sind hervorragend im "intelligenten Problemlösen", sie lieben es zu improvisieren und müssen nicht erst zur Kreativität ermuntert werden.

Doch sind sie zuweilen sehr emotional, stolz und daher auch leicht verletzlich, was gerade in geschäftlichen Beziehungen einen behutsamen Umgang erfordert. Hierzu zählt auch eine gewisse Toleranz bei Fehlern, denn Polen arbeiten nun einmal nicht Schritt für Schritt nach festgelegten Schemata.

Dos and Don’ts
–    Polen haben großen Respekt gegenüber Kirche und Papst. Sprechen Sie daher nicht negativ oder geringschätzig über die Kirche, Witze darüber sind ein Tabu, gleiches gilt für den verstorbenen Papst Johannes Paul II.
–    Schütteln Sie Ihrem polnischen Partner niemals über eine Türschwelle die Hand. Das könnte nach Meinung Ihres Gegenübers Unglück bedeuten.
+    Zur Begrüßung und Verabschiedung von älteren Damen gehört in Polen der – gewöhnlich nur angedeutete – Handkuss. Herren begrüßen und verabschieden sich normalerweise per Handschlag.
+    Demonstrieren Sie bei Gesprächen und Verhandlungen neben Ihrer eigenen Sachkenntnis auch die Fähigkeit, zuhören zu können. Sagen Sie nur das wirklich Notwendige und verfallen Sie nicht in einen Monolog, um alles kundzutun, was Sie zum besprochenen und zu weiteren Themen noch im Gedächtnis haben.

Konfliktpotenzial bieten auch Einstellungen zur Pünktlichkeit. Zu kurzfristig vereinbarten Geschäftstreffen erscheinen die Partner pünktlich. Liegt der Termin jedoch noch in weiterer Ferne, bildet er für die polnische Seite gewöhnlich nur einen groben Anhaltspunkt. Lassen sich längere Fristen wegen plötzlich auftretender Schwierigkeiten nicht einhalten, werden diese im Eigenermessen ausgedehnt, ohne die deutschen Partner in Kenntnis zu setzen.

Denn Polen gehen davon aus, dass sich der Partner die fehlenden Informationen selbst holen muss, während es bei Deutschen in solchen Fällen selbstverständlich ist, dass etwa der Lieferant den Besteller informiert.

Polen sind sehr geschichtsbewusst. Ausländischen Besuchern fällt das unter anderem durch Gedenktafeln, Denkmäler und sorgfältig wieder errichtete historische Gebäude auf. In offiziellen Gesprächen wird bei jeder sich nur bietenden Gelegenheit der Bogen bis in die Neuzeit gespannt und darauf verwiesen, dass Polen einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der Spaltung Europas geleistet hat.

Auch die deutsche Seite betont regelmäßig bei offiziellen Anlässen, dass es ohne die Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc in den 1980er Jahren den Fall der Berliner Mauer einige Jahre später nicht gegeben hätte. Individualität, der tief empfundene katholische Glaube sowie ein aus der Geschichte herrührender Patriotismus sind in Polen in der Werteskala hoch angesiedelt. Sie bilden im Handeln der Menschen eine Einheit.

Daher ist es wichtig, dass sich die deutsche Seite intensiv mit der polnischen beschäftigt, wenn sich ein Geschäftserfolg einstellen soll. Wenn Polen merken, dass deutsche Partner sie respektieren und sich für ihr Land interessieren, dass sie mit ihrer Hilfe Ziele erreichen und von ihnen lernen können, dann kann sich Vertrauen entwickeln. Einmal geknüpfte Geschäftskontakte werden dann in der Regel langfristig geschätzt und gepflegt, auch wenn sich der gewünschte Erfolg nicht unmittelbar einstellen sollte.

Gespräche mit Polen sind betont höflich und weniger direkt als unter Deutschen. Bei Geschäftsverhandlungen sollte die deutsche Seite darauf bedacht sein, mögliche Erfolge für beide Parteien herauszustellen und dabei auf Ausgewogenheit zu achten. Darüber hinaus wird gegenseitige Wertschätzung großgeschrieben. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass sich Polen Geburts- beziehungsweise Namenstage von Partnern merken und sich regelmäßig nach deren Familien erkundigen. Namenstage werden in Polen sogar als wichtiger angesehen als Geburtstage.

Sach- und Beziehungsebene meist vermischt

Da Sach- und persönliche Beziehungsebene nicht wie in Deutschland strikt voneinander getrennt sind, gelangen in geschäftlichen Besprechungen auch häufig spontan private Themen auf die Tagesordnung. Es empfiehlt sich, entsprechenden Fragen nicht einfach auszuweichen. Die Atmosphäre sollte stets harmonisch bleiben, da man Partner bei Aussprache etwa von Meinungsverschiedenheiten zu geschäftlichen Details auch persönlich treffen kann.

Diplomatie beziehungsweise indirekte Äußerungen helfen in der Regel weiter als Kritik, die, falls zu direkt vorgebracht, darüber hinaus nicht immer konstruktiv verstanden wird. Das gilt auch für andere Lebensbereiche. Zwar halten Polen von sich aus einen gewissen Abstand zu den Geschehnissen und Zuständen im eigenen Land ein, deutsche Besucher sollten indes – falls überhaupt erforderlich – kritische Äußerungen zu Land und Leuten sehr vorsichtig dosieren und gut begründen.

Bei der ersten Begegnung machen sich die Unterschiede zu den Umgangsformen in Deutschland – abgesehen vom formal überaus höflichen Auftreten – nicht unmittelbar bemerkbar. So werden auch in Polen Visitenkarten, kleine Präsente und farbige Firmenpublikationen gern und gleich zu Anfang vergeben. Auch von der Kleidung her sind polnische Firmenchefs von ihren deutschen Counterparts durch nichts zu unterscheiden.

Überschwängliche Fröhlichkeit und ein zu schnelles "kumpelhaftes" Auftreten wirken befremdlich. Die Etikette verlangt eine gewisse Karenzperiode, in der eher kleine Gesten eine große Rolle spielen. Gute Manieren sollten durchaus offen demonstriert werden.

Die direkte Anrede mit dem Nachnamen – wie in Deutschland üblich – drückt im Polnischen einen größeren sozialen Abstand aus und kann daher herabwürdigend oder provozierend empfunden werden. In der sozialen Ordnung gleichgestellte Personen reden sich mit "Pan" (Herr) beziehungsweise "Pani" (Frau) in der grammatischen Form des Vokativ (Panie, Pani), gefolgt vom Vornamen der betreffenden Person, an.

Zur korrekten Anrede gehört die ausdrückliche Nennung akademischer Grade und/oder der Funktionsbezeichnung (zum Beispiel kierownik – Leiter, dyrektor – Direktor, prezes – Vorsitzender). Dabei gilt als Faustregel, alle Titel noch oben "aufzurunden", so dass ein Staatssekretär durchaus mit "Panie Ministrze" (Herr Minister) angesprochen werden kann.

Für die Phase des Kennenlernens sollte viel Zeit zur Verfügung stehen, da das Zeitgefühl in Polen ein anderes als in Deutschland ist. Führungskräfte von Firmen arbeiten meist länger und auch am Wochenende, wenn es das Geschäft verlangt. Daher könnte ein ewiges "Auf-die-Uhr-Schauen" Irritationen hervorrufen.

Bei Besprechungen keine feste Agenda

Nicht bei jedem Treffen gibt es vorab eine Agenda, die sodann Punkt für Punkt abgearbeitet wird. Benötigte Informationen werden dann gegeben, wenn im Laufe des Meetings das Gespräch auf entsprechende Themen gelenkt wird.

Polnischkenntnisse schaffen viel an Sympathie

Viel an Sympathie gewinnen Geschäftsleute aus Deutschland, die sich im Umgang vor Ort des Polnischen bedienen. Dabei ist der Grad der Sprachbeherrschung nicht einmal von entscheidender Bedeutung. Allein das Bemühen, Zeit und Energie in das Erlernen dieser Sprache zu investieren, wird honoriert.

Spätestens bei Vertragsverhandlungen ist aber unbedingt ein Dolmetscher hinzuzuziehen, es sei denn, Deutsch und Polnisch werden parallel auf dem Niveau einer Muttersprache beherrscht. Bei der Wahl des Dolmetschers sollte auf Leistungsfähigkeit, nicht nur im Grad der allgemeinen Sprachbeherrschung, sondern auch auf Sachkenntnis über den besprochenen Verhandlungsinhalt, etwa über bestimmte technische Abläufe, Wert gelegt werden.

Irritierend auf die polnische Seite kann wirken, wenn bereits in den ersten Verhandlungsrunden zu viel Wert auf Details und "druckreife" Formulierungen für einen angestrebten Vertragstext gelegt wird. Konsens wird weniger über formal-juristische Absicherungsmechanismen gesucht, sondern mehr durch den Aufbau vertraulicher und partnerschaftlicher Beziehungen. Ein Insistieren auf schriftliche Abmachungen zu einem frühen Zeitpunkt weckt daher eher Unverständnis und Misstrauen.

Hierarchien sind stärker ausgeprägt als in Deutschland. Selbst wenn die meiste Detailarbeit während der Verhandlungen Spezialisten, zum Beispiel Ingenieuren und Rechtsexperten, überlassen wurde, entscheidet auf polnischer Seite stets der ranghöchste Vertreter. Nur wenn er das entscheidende "Machtwort" gesprochen hat, gilt das Geschäft als besiegelt. Generell bestimmt auch er den Verhandlungsverlauf und das Tempo des Vorgehens.

Aufbau einer Vertrauensbasis in lockerer Atmosphäre

In Polen interessiert der Geschäftspartner immer auch als Person. Kollegen sprechen bei Abendessen oder Einladungen nicht nur über das Geschäft, sondern gewähren auch Einblick in die Privatsphäre wie etwa Familie und Hobbys. Ohne den Aufbau einer Vertrauensbasis, zum Beispiel im Rahmen gelegentlicher Treffen in lockerer und entspannter Atmosphäre, lassen sich Geschäftsbeziehungen in Polen dauerhaft schlecht pflegen.

GTAI, 13.03.12