Investoren kritisieren Bürokratie, Korruption und Fachkräftemangel. Pluspunkte sind die EU-Mitgliedschaft, günstige Lohnkosten sowie die geografische und mentale Nähe.

Mit einem Wirtschaftswachstum von 1,7% (Tschechien) und 3,3% (Slowakei) haben sich beide Länder 2011 besser entwickelt als viele andere EU-Staaten. Besonders der starke Export in die EU mit dem Schwerpunkt Automobil hat die Industrie unter Dampf gehalten. Doch die Aussichten trüben sich ein.

Für 2012 wäre die Regierung in Prag froh, wenn das Bruttoinlandsprodukt nicht schrumpft. In Bratislava hofft die neue sozialdemokratische Staatsführung immerhin noch auf ein Wachstum von über 2%.

Für beide Volkswirtschaften ist Deutschland nicht nur der wichtigste Handelspartner. Deutsche Firmen gehören auch zu den größten Investoren. Die aktuelle Konjunkturumfrage der Auslandshandelskammer in Prag und Bratislava ist daher ein Gradmesser für die weitere Entwicklung in Mittelosteuropa.

Knapp ein Viertel der befragten Unternehmen empfindet die aktuelle Wirtschaftslage in beiden Ländern als schlecht, rund 60% sind halbwegs zufrieden. Dass es im Jahresverlauf 2012 besser wird, glauben nur 9% der deutschen Firmen in Tschechien und 14% in der Slowakei.

Unternehmen erwarten positive Geschäftsentwicklung

Ganz anders sieht es bei der eigenen Geschäftsentwicklung aus. Fast ein Drittel der Befragten in Tschechien und sogar 41% in der Slowakei glauben, dass sich ihr Unternehmen 2012 positiver entwickeln wird als im Vorjahr. Deshalb investieren sie weiter in ihren Gastländern: Etwa jede vierte Firma plant höhere Kapitalausgaben. Das drückt sich auch in der Beschäftigung aus. Jede fünfte deutsche Firma in Tschechien und jede vierte in der Slowakei will in diesem Jahr Personal einstellen.

Fachkräftemangel nimmt zu

Doch gerade auf dem Arbeitsmarkt droht eine deutliche Verschlechterung der Rahmenbedingungen. Denn die Verfügbarkeit von gut ausgebildeten Mitarbeitern nimmt ab. "Der Fachkräftemangel im gewerblich-technischen Bereich entwickelt sich zu einer der größten Bedrohungen für den Wirtschaftsstandort Tschechien", so Hannes Lachmann, Sprecher der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer.

Ähnliches gilt für die Slowakei. Wie der Präsident der Auslandshandelskammer in Bratislava, Vladimir Slezak, sagte, mangele es dem dortigen Berufsbildungssystem eklatant an der Vermittlung praktischer Kenntnisse.

Kritik an Verwaltung und Ausbildung

Anlass zu Kritik seitens der deutschen Unternehmen liefert in beiden Ländern zudem die langatmige Bürokratie, fehlende Transparenz bei öffentlichen Ausschreibungen sowie Korruption und Wirtschaftskriminalität. "Verwaltungsverfahren in Tschechien dauern einfach viel zu lange, etwa bei der Einklagung von Forderungen", so AHK-Sprecher Lachmann. Ob die geplanten Einsparmaßnahmen im öffentlichen Dienst zu mehr Effizienz führen werden, bleibe abzuwarten.

Trotz aller aktuellen Probleme sind sich die deutschen Firmen in Prag und Bratislava einig: Die gewählten Standorte sind nach wie vor äußerst attraktiv für das eigene Unternehmen. Immerhin 85% aller Befragten in Tschechien sagten, dass sie keinen anderen Investitionsstandort wählen würden (2011: 70%).

In der Slowakei bekundeten sogar 88% der Umfrageteilnehmer, dass sie wieder dort investieren würden. In beiden Ländern ist die Mitgliedschaft in der EU der wichtigste Faktor für das Engagement. Dahinter folgen die Qualifikation, Leistungsbereitschaft und Produktivität der Arbeitnehmer.

Die Ergebnisse der Konjunkturumfrage zeigen, dass der Optimismus der ausländischen Unternehmen zwar etwas gedämpft ist. "Von Krisenstimmung kann aber keine Rede sein", meint AHK-Präsident Slezak, der die slowakische Siemens-Tochter leitet.

Tatsächlich bleiben die nahen Nachbarn in Mittel- und Osteuropa für deutsche Firmen sehr dynamische Geschäftspartner. So sind Tschechiens Importe aus Deutschland 2011 um fast 15% auf 28 Mrd. Euro gestiegen. Die slowakischen Einfuhren haben sogar um 18% auf knapp 9 Mrd. Euro zugenommen (jeweils Zahlen der nationalen Statistikämter, die von Destatis-Werten abweichen).

Damit ist die kleine Slowakei für den deutschen Export ähnlich wichtig wie die bevölkerungsreichen BRIC-Staaten Indien und Brasilien. Tschechien spielt beim Importvolumen sogar in einer Liga mit Russland und Spanien.

In den kommenden Jahren dürfte der Spielraum für weiteres Wachstum aber enger werden. In Prag und Bratislava müssen die Regierungen sparen, um die Haushaltskonsolidierung zu schaffen. Dafür setzen sie auch auf eine höhere Mehrwertsteuer (Tschechien) und die Abschaffung der Flat-Tax (Slowakei).

Die Realeinkommen steigen nur noch sehr langsam, so dass der Binnenkonsum schwächelt. Beide Volkswirtschaften sind zudem stark abhängig von der Konjunkturentwicklung in Deutschland und dabei besonders von der Nachfrage nach Fahrzeugen.

GTAI, 16.04.12